London Grammar – Columbiahalle, Berlin

 

 

„And every time I go to bed

An image of you flickers in my head

And every time I fall asleep

An image of you flows in my dream…“

 

 

 

 

 

Schon der ergatterte Parkplatz direkt vor der Halle ist vielversprechend, die relativ kurze Schlange vor dem Eingang umso mehr. Zwar laufen die Hits des britischen Trios mittlerweile tagtäglich über unseren Bildschirm, jedoch meist unerkannt in Werbung oder Reportagen getarnt. Ein Los, das sie mit vielen wirklich außergewöhnlichen Bands, wie u.a. MUSE teilen müssen. Vielleicht sollte man dies aber auch als Auszeichnung für besonders emotionale, jeden fesselnde Musik empfinden und nicht als puren Mainstream abtun. Ich für meinen Fall war jedenfalls begeistert die jungen Briten endlich in voller Länge live auftreten zu sehen, nachdem ihr Hurricane-Set durch Hannah’s Erkrankung leider unterbrochen werden musste. Das rechtzeitige Anstehen wird auch prompt durch einen Platz in der ersten Reihe belohnt und so warte ich geduldig, was die Vorband wohl zu bieten hat. Eine etwas seltsam anmutende Combo namens „All We Are“ betritt die Bühne und leider bestätigt sich nach kurzer Zeit meine anfängliche Skepsis. Um es kurz zu machen: eine Aneinanderreihung selbstdarstellerischer Psychodelic-Rhythmen gepaart mit dem Wunsch sich optisch und instrumental von der Masse abzuheben. Verstörend und langweilig. Zum Glück hatte ich London Grammar bereits live gesehen, sonst wäre ich nach dieser Tortur für meine Ohren ängstlich in die hinterste Reihe gekrabbelt, um mich in einer Ecke auf dem Boden kauernd vor und zurück zu wiegen. Ausdauer wird belohnt und nachdem die Vorband endlich die letzten grauenvollen Töne heiser ins Mikro wispert, während sie die Gitarre mit einem Violinenbogen unhörbar malträtiert, senkt sich endlich Stille über den Raum und die Spannung nimmt wieder zu.

Sängerin Hannah Reid, Keyboarder Dot Major und Gitarrist Dan Rothman betreten nacheinander im lässigen Freizeitoutfit die Bühne und die Anfänge von “Hey Now” wallen durch die elektrisierte Luft. Sofort wird man von der melancholisch-düsteren Stimmung, den sanften Lichtwechseln und Hannah’s unverwechselbarer Stimme mitgerissen. Der Internationswechsel von herrlicher Tiefe zu angenehm unquietschigen Höhen stellt für Frau Reid bekannter Weise kein Problem dar und der Minimalismus bei der Verwendung von Instrumenten setzt ihr Talent besonders in den Mittelpunkt. Eine Gitarre, ein Keyboard, ein paar Drums, ein Klavier… doch halt! Was ist das? Im Hintergrund des Bühnensets erscheint beim verträumten „Interlude“ ein Streichquintett aus der Dunkelheit. Gänsehautfeeling. Das Besondere an diesen drei sympathischen Talenten ist ihre Einfachheit. Eine gewisse Schüchternheit im Umgang mit dem Publikum, freundlich, demütig, scheu. Als wäre dies alles noch so unfassbar wie am ersten Tag, obwohl London Grammar bereits Stadien füllen. Ein ganz ungewohntes Bild in der heutigen, oft so überzeichneten Musikwelt. Nicht viele singen die Texte mit, entweder weil sie sie nicht kennen oder weil sie lieber in aller Stille von diesem Zauber eingehüllt werden wollen. Doch jeder, der wie ich, vollkommen in der Musik aufgeht und jede Zeile leidenschaftlich mit trällert, wird mit erfreuten und neugierigen Blicken von gegenüber gewürdigt. Allein, dass Hannah sich so zu freuen scheint, dass ihre Musik andere Menschen berührt, spornt den Konzertbesucher umso mehr an ihr zu zeigen WIE sehr sie es tut. Mir ist unklar, wie man bei dieser Fülle an Emotionen und den langsamen, aber dennoch kraftvollen Rhythmen still und stumm an einem Fleck stehen kann, aber der tosende Applaus nach jedem Lied macht mir deutlich, dass meine Mitmenschen in diesem Saal keineswegs ins Nirvana entfleucht sind. Das fragile „If You Wait“ bricht mein Herz mit seiner Ehrlichkeit und mir rollen ein paar kleine heiße Tränen über die Wangen, was mir normalerweise peinlich wäre. Doch irgendwie scheint das genau hierher zu gehören. Wer hier nicht heult, der hört nicht zu, der liebt und lebt Musik nicht. Mein absolutes Highlight „Nightcall“ ertönt und die sich langsam steigernden Klavierklänge reißen mich mit sich in einen Strudel von rot, grün und blau. Da ich mir sicher bin nicht auf LSD zu sein, muss es sich um die aufwändige Bühnenbeleuchtung handeln. Dem Lichttechniker gilt an dieser Stelle noch einmal ein ganz besonderes Lob. Selten habe ich eine solch gelungene, an die Stimmungen und Tempi angepasste Ausleuchtung erleben dürfen. Bei einer Band wie London Grammar ist dies der, meiner Meinung nach, einzige Weg den Traum-Effekt perfekt zu machen. Und so taumele ich nach „Metal & Dust“, welches noch einmal aufrüttelt und dessen Drum & Bass Stil zum Bewegen animiert, wie in Trance aus der Halle. Von Glücksgefühlen überwältigt, setze ich dieses Erlebnis mit Freuden auf meine Top 10-Liste der besten Live-Konzerte. Um Wiederholung wird gebeten.

 

Setlist:

  1. Hey Now
  2. Darling Are You Gonna Leave Me
  3. Interlude
  4. Shyer
  5. Wasting My Young Years
  6. Flickers
  7. Sights
  8. Stay Awake
  9. Nightcall
  10. Strong
  11. If You Wait
  12. Metal & Dust

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