Kraftklub – Stadthalle, Magdeburg

 

 

 

„Denn keiner singt so laut,so schief

The Streets oder Rihanna

Wie meine Gang, meine Gang

Meine Gang, meine Gang…“

 

 

 

 

Noch nie in Magdeburg auf einem Konzert gewesen? Im Nachhinein fragt man sich, ob man je wieder woanders hin will. Aber fangen wir von vorn an. Einlass um 17:30 Uhr war schon mal definitiv zu früh für mich. Kurz vor 19:00 Uhr betrete ich die Stadthalle mit ihrem gemütlichen Ost-Charme. Es ist schon ganz schön voll und der Weg in die ersten Reihen aussichtslos. Aber am Geländer vor der Ton-Insel ist es ja auch ganz nett. An dieser Stelle sei schon mal gesagt, dass dies auf mehrfache Art eine weise Entscheidung war. Schon nach kurzer Zeit geht ein Gekreische durch die offenbar gut gelaunten Massen. Der Felix steht bereits auf der Bühne. Der Felix ist übrigens der charismatische Sänger der Band, wegen welcher ich hier bin: Kraftklub. Nur was macht er denn da oben? Keine Vorband? Seltsam. Schnell werde ich aufgeklärt, er stellt nur kurz die Vorband Wanda aus Österreich vor und fordert das Publikum auf schon mal ein bisschen die Hüften kreisen zu lassen. Na dann bin ich ja mal gespannt. Trotz meines nicht mehr ganz so frischen Alters, fühle ich mich jedoch noch deutlich zu jung für die beinah wie Schlager anmutende Mischung aus frechen Texten und Shanty-Instrumentarien. Zugegeben, die markante Stimme des Sängers mit ihrem rauchigen Kratzen ist beeindruckend und auch am musikalischen Können der Band gibt es nichts zu meckern. Stimmung machen können sie auch. Es ist nur einfach nicht so meins. Wirklich schade, da Thomas Götz von den Beatsteaks in unserem Interview vom 15.11.2014 das Album „Amore“ noch zu seinem Lieblingsalbum 2014 kürte und ich wirklich schon neugierig war. Aber so ist das mit der Musik – Geschmackssache.

5 Minuten Ruhm für AC/DC Fan

Erwähnenswerter sind die folgenden fünf Minuten, in denen ein einzelner Fan für die ganze Halle zum Helden wird. Als Intro hat Kraftklub nämlich AC/DC mit „Back in Black“ gewählt und das scheint diesem jungen Mann (links) ein inneres Blümchenpflücken zu sein. Den gesamten Song über bangt er auf der Empore was das Zeug hält und wird dafür mit lautem Klatschen, Pfeifen und Gejubel gewürdigt. So fängt das hier in Magdeburg schon mal gut an. Doch nun ist es endlich soweit. Ohne Vorwarnung schmettert „Für Immer“ von der Bühne und alle sind von null auf hundert präsent – Band und Publikum. Die Masse tobt, während der Felix in gewohnt lässiger Manier auf den Brettern, die die Welt bedeuten, abspackt. In der ersten kurzen Pause wird Magdeburg wie ein altbekannter Freund begrüßt, doch die ausgelassene Stimmung überrascht schon nach kurzer Zeit die gesamte Gruppe. Die „Kraftklub, Kraftklub“-Chöre in jeder Atempause, das Crowd-Surfen und unablässige Springen und Pogen schaffen eine so berauschende Atmosphäre, dass kein Auge trocken bleibt. Das ist kein Konzert, das ist eine echte Sause. Jeder der folgenden Songs wie „Ich Will Nicht Nach Berlin“, „Unsere Fans“ oder „Hand In Hand“ wird derart gefeiert und mitgegröhlt, dass man sich über diese wahnsinnige Energie auf einem Sonntagabend nur noch wundern kann. Da muss man schon mal fragen, ob denn alle hier arbeitslos sind – also nicht ich, der Felix fragt. Liegt ja auch nahe bei der rücksichtslosen Geißelung des eigenen Körpers. Aber die Magdeburger sind eben einfach nur ein sympathisches, feierfreudiges Völkchen.

Und auch Kraftklub stehen in punkto Sympathie ihren Fans in nichts nach. Da wird mal eben die Frage in die Runde geworfen, wer denn Leute kenne, die für das ausverkaufte Konzert kein Ticket mehr ergattern konnten. Die Wahl fällt auf das Mariechen, das mit seinem Freund wahrscheinlich todunglücklich zuhause versauert. Ein Anruf soll’s richten, doch nach einer minutenlangen Auseinandersetzung mit dem widerspenstigen Handy des Kumpels, erklingt nur der Rufton. Schade Mariechen, aber du bekommst noch eine Chance: die Mailbox. Nur die ist dann leider bereits voll. Wie viel Pech kann man denn haben, Mariechen? Erst keine Tickets, dann den Anruf verpassen und die dann noch überfüllte Quatschekiste machen das Drama perfekt. Der Felix nimmt es mit Humor „Wir haben in den letzten 2 Tagen unsere DVD aufgenommen und das hat beide Male nicht funktioniert. Wenn das jetzt heute geklappt hätte, hätte ich wohl den ganzen Abend schlechte Laune.“ – na zum Glück ist diese Krise abgewendet worden. Danke, Mariechen. Ein kleines Highlight ist dann auch der Combo-Auftritt mit Wanda, um dem Ramones Hit „Blitzkrieg Bop“ neues Leben einzuhauchen. Gutes Stichwort übrigens, denn wie ein Mini-Blitzkrieg fühlt sich dann auch das aufwändig inszenierte Medley „Ritalin/Medikinet / Melancholie / Liebe / Zu Jung / Kein Liebeslied / Lieblingsband (Oh Yeah)“ an. Man schwankt im Freudentaumel von einem Song zum anderen, geblendet vom wild flackernden K, das nun in der Mitte der Bühne prangt. Allein das Spiel welches-Lied-ist-jetzt-wohl-dran-? macht schon unheimlich Spaß, auch wenn ich ankreiden muss, dass die Texte rein tontechnisch schwer zu verstehen waren.

...und plötzlich stehste 1. Reihe
…und plötzlich stehste 1. Reihe
Quelle: Sarah

Wie bereits erwähnt, stehe ich mit dem Rücken zur Ton-Insel. Ein Blick über die Schulter offenbart ein freudiges Szenario: Mikrofonständer werden aufgebaut. So viel Glück kann doch keiner haben. Oder doch? Und tatsächlich drängen vier der fünf Jungs durch die schwitzende Menschenmenge direkt auf uns zu, nachdem sie die Bühne vor der obligatorischen Zugabe verlassen haben. Und schwups steht man doch noch in der ersten Reihe! Der Felix sorgt erst mal dafür, dass alle ihre nervigen Smartphones wegpacken und nur noch einer filmt. Dieser wird dann prompt dazu verpflichtet das fertige Endprodukt bei Facebook hochzuladen. Im Nachhinein leider eine suboptimale Wahl, was die Qualität des Videos betrifft. Aber nun wird alle Aufmerksamkeit den vier schmucken Kerlchen gewidmet und die verbrüdern sich mit Magdeburg dann für den heutigen Abend zur Gang. Nachdem der Felix, nachfolgend nur noch „geiler Typ“ genannt, proklamiert, dass Gang ja so maskulin klingt und dies bei den wunderschönen Frauen in der ersten Reihe vor ihm nicht passe, strahlt mein Ego mit der grellen Beleuchtung um die Wette. Umso trauriger, dass ich bei dem nun folgenden „Deine Gang“ nicht ganz so textsicher bin. Dafür sind es alle anderen. Auch recht.

Im Anschluss folgt wieder ein lustiges Spiel: um-die-Wette-Crowdsurfen. Die Jungs starten also direkt vor mir und stürzen sich ins Getümmel, um von hunderten Händen zurück zur Bühne getragen zu werden. So spart man sich halt auch das Laufen. Gewinner des Wettschwebens ist übrigens Karl, der Gitarrist. An dieser Stelle noch mal herzlichsten Glückwunsch. Ab jetzt brennt die Luft, denn die Reißer „Karl-Marx-Stadt“, das leider textlich verunglückt und mir meine Scham über die vorangegangene Unsicherheit mindert, die neue Single „Schüsse In Die Luft“ und das grandiose „Songs Für Liam“ erfüllen jetzt die elektrisierte Luft. Mit einem Knall werden abertausende weiß-rote Papierschnipsel durch die Halle geschossen, die Zugabe ist beendet. Denkste. Da kommen die Herren doch tatsächlich noch für eine dritte Runde heraus. Man kriegt auch wirklich nicht genug und da der Großteil des Publikums bereits Kraftklub erprobt zu sein scheint, wird sich schon mitten in „Randale“ ohne Aufforderung auf den Boden begeben. Natürlich erfüllt auch das zuvor verschossene Papierzeug seinen Zweck und wird zur metaphorischen Befreiung von allen Lasten im rechten Moment in die Höhe geworfen. Bevor „Scheissindiedisko“ den mehr als gelungenen Konzertabend würdig abschließt, macht sich der „geile Typ“ auch noch ein bisschen frei. Für die Damen wird am Weltfrauentag wirklich alles getan. Tiefsten Respekt für dieses appetitliche Engagement. Den Kopf voll mit all den tollen Ohrwürmern, die Haare gespickt mit Papier und das Shirt in Schweiß getränkt – so muss das. Danke Kraftklub für diesen energetischen, lustigen und unvergesslichen Abend und immer gerne wieder. Dann vielleicht auch mal mit Interview, wenn es sich bei eurem gut durchgeplanten Tagesablauf ermöglichen lässt. So long.

Setlist

  1. Für Immer
  2. Eure Mädchen
  3. Ich Will Nicht Nach Berlin
  4. Alles Wegen Dir
  5. Mein Leben
  6. Zwei Dosen Sprite
  7. Unsere Fans
  8. Meine Stadt Ist Zu Laut
  9. Hand In Hand
  10. Irgendeine Nummer
  11. Blitzkrieg Bop (Ramones Cover mit Wanda)
  12. Wie Ich
  13. Medley: Ritalin/Medikinet / Melancholie / Liebe / Zu Jung / Kein Liebeslied / Lieblingsband (Oh Yeah)
  14. —–
  15. Deine Gang
  16. Blau
  17. Karl-Marx-Stadt
  18. Schüsse In Die Luft
  19. Songs Für Liam
  20. —–
  21. Randale
  22. Scheissindiedisko

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