Black Rebel Motorcycle Club – Astra Kulturhaus, Berlin

 

„Please darling, hear me darling,

See darling you don’t owe them nothing

I’m on a wire, I’ve taken your silence but can’t no more

Please darling, hear me darling,

See darling you don’t owe them nothing

I’m on a wire you fade in the light where I can’t follow

Time, keeps this love alive but your hope is gone

Time, keeps this love alive but your hope is gone…

 

 

 

Endlich. Dreizehn Jahre des Wartens sind für mich vorüber. So lange habe ich es nicht geschafft BRMC noch einmal live zu sehen. Deshalb gibt es diesmal kein Pardon. Egal wie, egal wann oder wo. Nach knapp vier Stunden Fahrt kippe ich erschöpft aus meinem Auto und begebe mich auf die Suche nach dem nahegelegenen Astra Kulturhaus in Berlin. Die schönste Ecke ist es ja nicht, aber irgendwie passend. Ein kleines Grüppchen schwarz gekleideter Menschen wartet bereits vor dem Eingang, obwohl es noch gut eine Stunde bis zum Einlass ist. Ich hätte mir eine Lederjacke kaufen sollen, schießt es mir durch den Kopf, als ich mich so umsehe. Auch, dass ein ziemlich breites Publikum vertreten ist. Manch einer bereits deutlich älter, etliche jedoch ungefähr in dem Alter, in dem ich die Amerikaner (damals noch mit Nick Jago am Schlagzeug) das erste Mal sah. Männlein und Weiblein bunt gemischt. Ein winziges Fünkchen Hoffnung keimt in mir auf: wird es vielleicht doch nicht wieder so wild, wie im Schlachthof damals in Dresden? Ich habe nämlich meine Ganzkörper-Protektoren zusammen mit der Lederjacke vergessen. Die Stunde vergeht schleichend im Regen ohne Schirm und dem so wunderbar blumigen Gestank nach altem Urin. Das ist Rock’n’Roll. Endlich darf ich mich ins Innere der düsteren Location quetschen. Natürlich ist die erste Reihe bereits von einer Schar Mädels besetzt worden. Ich stelle mich brav in die Zweite und warte in dem doch recht kühlen Saal auf die Vorband. Sun And The Wolf aus Neuseeland geben sich heute die Ehre. Nachdem die Hintergrundmusik einen schon in die passend lethargisch-trübsinnige Stimmung versetzt hat, geht es los. Seltsam anzusehen sind sie zwar, jedoch stehen die vier Herrschaften dem Hauptact offenkundig in nichts nach. Überraschend schnell wippe ich mit zu einem Sound, der so sehr an BRMC erinnert, dass es wie ein kleiner Vorgeschmack und nicht wie eine zweite Band wirkt. Ein bisschen psychedelischer, ein kleiner Tick mehr Woodstock. Rein technisch auf jeden Fall extrem stark, besonders der Drummer, welcher sich mehr als genug verausgabt. Ich verspreche mir sogleich zuhause noch einmal genauer hinzuhören. Zumindest in diesem Moment haben sie mich jedenfalls überzeugt.

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Sun Of A Wolf sind ein guter Anfang.

Wieder eine Umbaupause mit basslastigen Schummerklängen, man ist wirklich komplett gefangen in einer grungig, schmuddeligen Welt des verkippten Bieres und wuscheliger Haare. Einzig und allein das Scala-Cover des Radiohead Meisterwerks „Creep“ erhellt die Atmosphäre für einen kurzen Augenblick, in dem alle andächtig mitsummen oder -singen. Dann wird es noch dunkler. Der Lichttechniker hat sich definitiv zum Ziel gesetzt das Thema fortzuführen. Es ist ja auch viel mystischer die Akteure vor einem nur erahnen zu können. Und so schleichen nahezu unbemerkt Robert Been, Leah Shapiro und Peter Hayes auf die Bühne an ihre Plätze. „Beat The Devil’s Tattoo“ wummert als erstes aus den Boxen und die Masse reagiert noch etwas träge. Obwohl es schon eine der schnelleren Nummern des Trios ist, kann man noch unbekümmert stehen und tanzen. Als es auch zwei weitere Lieder später nicht ruppiger zugeht, wäge ich mich schon fast in Sicherheit. Doch „Weapon Of Choice“ bricht den Bann und die Menge tobt. Ich versuche krampfhaft mich am Geländer festzuhalten, aber das schmeckt der ersten Reihe wohl nicht sonderlich und sofort wird mein Arm mit Ellenbogen traktiert. Leider scheint dieses asoziale Verhalten auf Konzerten mittlerweile zur Regel zu werden. Ich versuche die Aggressionen und den damit verbundenen Schmerz auszublenden und mich auf die Bühne zu konzentrieren. Der gerade noch kühle Saal gleicht mittlerweile einer Sauna und der Schweiß rinnt mir literweise den Hals herunter. Nachdem bei „Berlin“ das versammelte Berlin natürlich zu Recht ausgiebig Randale gemacht hat, kommt nun endlich der Song, auf den ich sehnsüchtig gewartet habe. „Returning“ glättet die Wogen und wie Gespenster im Nebel schweben die Gestalten vor mir sphärisch vor und zurück. Andächtig betrachte ich die vollkommen in sich gekehrten Protagonisten und wage es nicht diesen Moment digital zu verewigen. Manche Augenblicke muss man einfach einsaugen und ganz tief in sich einschließen. Auch in der heutigen Zeit des ständig hochgehaltenen Smartphones. Mein Herz zerspringt nahezu vor Glückseligkeit, als im Anschluss auch noch „American X“ ertönt. Die Setlist erfüllt beinah all meine unausgesprochenen Träume. Von „The Line“ über „Weight Of The World“ bis hin zu „Lose Yourself“ sind all meine favorisierten Balladen dabei und auch bei den Pogo-Krachern wurde mit „Conscience Killer“, „Spread Your Love“ und „Whatever Happened…“ genau ins Schwarze getroffen.

Fast hatte ich befürchtet keine blueslastigen Mundharmonika-Stücke zu hören, aber auch hier werde ich nicht enttäuscht. Als Peter zu „Complicated Situation“ und „Ain’t No Easy Way“ ganz allein im Fokus steht, flammt eine ganz besondere Atmosphäre auf. Wenngleich er immer der ruhigere, distanziertere der beiden Sänger war, so ist er in diesen Szenen ganz da. Ab und an ein scheuer Blick durch die wirr in die Stirn hängenden Locken und eine Stimme, die mitreißt und verzaubert. Da erkennt man ihn kurz: den verletzlichen, tiefgründigen Mann hinter der coolen Rock’n’Roll-Fassade. Auch wenn man ihn sichtlich von den Drogen gezeichnet sieht. Generell muss ich an dieser Stelle sagen, dass noch nicht so langjährige Anhänger dieser Band eventuell enttäuscht sein könnten. Denn der angesprochene Drogenkonsum tut auch der musikalischen Umsetzung nicht gut und so sind etliche Verspieler zu hören, Texte unverständlich oder schleppend, ganze Lieder schwer zu erkennen. Mir als bekennenden Fan der Musik bricht es dabei fast das Herz und ich kann nur hoffen, dass es nicht noch mehr bergab geht. Dazu sind diese perfekt harmonisch abgestimmten Melodien, die zarten Tiefsinnigkeiten der Texte, die beeindruckenden Mehrstimmigkeiten der beiden Sänger zu schade. Das reicht allemal für die springende Masse, aber BRMC sind mehr als das. Wahrscheinlich ist es auch genau das, was sie so verletzbar macht, die musikalischen Genies unserer Zeit. Ein Pete Doherty reicht mir da, was das Elend und Drama angeht, allerdings völlig aus.

links: Robert Been (Bass) rechts: Leah Shapiro (Schlagzeug)
links: Robert Been (Bass) rechts: Leah Shapiro (Schlagzeug)

Zum krönenden Abschluss des Abends baut sich Robert direkt vor mir zur letzten Zugabe auf und ich werde endgültig zerquetscht. Dennoch tröstet mich die Nahtod-Erfahrung über die kleinen Patzer hinweg und so schwanke ich klitschnass, zerschrammt, aber beseelt Richtung Ausgang. Zumindest ich werde nicht noch einmal dreizehn Jahre warten, das steht fest.

M.F.

 

 

 

 

 

 

 

Setlist:

  1.  BEAT THE DEVILS TATTOO
  2.  LET THE DAY BEGIN
  3.  RIVAL
  4.  WEAPON OF CHOICE
  5.  IN LIKE THE ROSE
  6.  AIN’T NO EASY WAY
  7.  BERLIN
  8.  RETURNING
  9.  AMERICAN X
  10.  SALVATION
  11.  HEART AND SOUL
  12.  COMPLICATED SITUATION
  13.  PRETEND
  14.  THE LINE
  15.  HATE THE TASTE
  16.  WEIGHT OF THE WORLD
  17.  SCREAMING GUN
  18.  CONSIENCE KILLER
  19.  STOP
  20.  AWAKE
  21. LOSE YOUSELF
  22. ————
  23. SHUFFLE YOUR FEET
  24. SPREAD YOUR LOVE
  25. WHATEVER HAPPEND TO MY ROCK’N’ROLL (PUNK SONG)

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