MUSE -Barclaycard Arena, Hamburg

 

 

„Feel me now

Hold me please

I need you to see who I am

Open up to me

Stop hiding from me

It’s hurting babe

Only you can stop the pain…“

 

 

 

Als langjähriger MUSE Fan, konnte ich die neue Tour natürlich kaum erwarten. Eine 360° Bühne! Wieder die weltbeste Live-Band spielen sehen! Im Sommer! Endlich! Innenraum! Und eine 360° Bühne (hatte ich das schon erwähnt?!)! Eigentlich hatte ich mir direkt zum Verkaufsstart Tickets für Hamburg und Berlin besorgt, aber für Berlin kam dann doch etwas dazwischen, was ich zumindest teilweise noch bereuen sollte. Einige Tage vor dem Konzert erreicht mich eine Info-Mail mit allen wichtigen Daten und der Bitte aufgrund verschärfter Einlasskontrollen rechtzeitig zu erscheinen. Das nenn ich mal Service. Daran könnte ich mich gewöhnen. Auch wenn es klingt, als würde man durch den Nacktscanner müssen, um auf Einlass zu hoffen. Nun gut, das Katana also wieder ausgepackt und los geht die wilde Fahrt.

MUSE Konzerte sind immer ein Erlebnis. Also, wirklich immer. Jedes Mal denkt man, dass es nicht mehr pompöser und gewaltiger werden kann. Irgendwann muss ja mal Schluss sein. Aber weit gefehlt! Die drei Herren aus Teignmouth schaffen es immer wieder noch einen drauf zu setzen. Ich lande glücklicherweise in der ersten Einlasswelle für den Innenraum und bekomme somit gute Chancen mich weit nach vorn zu bugsieren. Bei einer 360° Bühne auch kein großes Kunststück, um ehrlich zu sein. Immerhin hat man gefühlt 5 km erste Reihe. Dennoch wird es nur Reihe zwei, da es doch etwas länger dauerte den Weg zu den Toiletten zu orten und sich noch grundzuversorgen für die immerhin gut zwei Stunden verbleibende Wartezeit. Aber zweite Reihe! In meinen 15 Jahren als MUSE Fan war mir das noch nie vergönnt. Die Bühne sieht schon ohne die Jungs mehr als beeindruckend aus. Nahezu der komplette Innenraum ist durch die geschwungene Plattform gefüllt und ein riesiger Aufbau aus runden Monitoren und Metallkonstruktion schwebt in luftiger Höhe darüber. Ich stehe direkt vor dem kreisförmigen Mittelteil, wo offenbar schon das Schlagzeug aufgebaut wurde und man deutlich die Schienen erkennt, auf denen die Kamera um die Bühne fahren kann. Aber zunächst kommt erst einmal Ausnahmekünstler Jack Garratt an die Reihe, der als Support Act endlich mal Qualität in die immer grottiger gewordenen Vorbands der letzten Jahre bringt. Auch wenn sein Stil gewöhnungsbedürftig ist und nicht wirklich tanzbar, muss man uneingeschränkt das Haupt neigen vor Bewunderung. Herr Garratt gleitet geschmeidig zwischen Keyboard, seinem Drumpad und dem Standschlagzeug hin und her, untermalt seine Songs mit gekonnten Robot-Moves und gibt stimmlich alles. Mit einem sanften plopp kippt mir die Kinnlade gen Boden bei so viel Talent und Energie, auch wenn nicht jeder meine Euphorie teilen kann. Nach fünf Songs ist die Reise mit der 1-Mann-Band zu Ende und die Vorfreude steigt ins Unermessliche.

IMG_7139Als es wieder dunkel wird, traue ich meinen Augen kaum. Kugelförmige, beleuchtete Gebilde schweben mit Scheinwerfern suchend zum choralen Kanon langsam durch den Saal, während Matthew Bellamys Stimme einem Gänsehautschauer über den Körper laufen lässt. Der Klagegesang wird auf den über der Bühne befestigten LED-Wänden durch Textzeilen begleitet, die eine Geschichte des Leids erzählen. Die Eltern getötet – von Dronen. Suchen die Kugeln nach Überlebenden? Oder sollen sie die Leichen orten? Das Drama, die Oper, das Theaterstück kann beginnen. So andachtsvoll der Anfang, so heftig der Opener. „Psycho“ dröhnt von der Bühne und das Publikum dröhnt mindestens genau so laut unter Jubel zurück. Ganz in schwarz gekleidet betreten die drei Protgonisten die Szenerie, in Kampfmontur. Vergessen sind die knalligen Haarfarben und quietschigen Outfits von einst. Passend zur sehr politischen Platte wirken die Herren gereift, fast distanziert. Ein wenig zu durchgestylt für meinen Geschmack, aber es fügt sich ins Bild. Mit „Reapers“ kommt der zweite Kracher vom neuen Album und in mir regt sich die Angst, dass ich nichts anderes zu hören bekomme. Doch als das interstellare Intro von „Bliss“ ertönt, kribbelt mein ganzer Körper und ich schreie die Lyrics geradezu den sich langsam vor mir im Kreis drehenden Männern auf der rotierenden Bühne entgegen. Endlich richtig MUSE. Origin of Symmetry war immer mein Lieblingsalbum – unübertroffene Perfektion – und ich hoffe inständig auf mehr.

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Von da an folgt ein nie enden wollender Strom der besten Singles, nahezu all meine Lieblinge sind vertreten und werden nur ab und an von den bekannten Gitarrenriffs und Drumsoli unterbrochen. Mein Platz ist gut gewählt, denn das Hauptgeschehen findet direkt vor mir, zwei Meter Luftlinie entfernt, statt. Für die Piano-Parts fährt Sänger Matt mit dem Klavier wie von Geisterhand aus dem erhöhten Bühnenteil und auch auf der gegenüberliegenden Seite werden die Fans parallel von Bassist Chris bespaßt. Niemand geht leer aus. Durch das versetzte Stehen auf der Drehscheibe kommt jeder in den Genuss einen der drei Musiker direkt vor sich zu sehen. Ein unglaubliches Konzept, welches ich allzu gern bei jeder Band genießen würde. Auf den Stegen zu den drei Knotenpunkten werden immer wieder Leinwände herabgelassen, auf denen Lichtpunkte tanzen, Filmszenen abspielen oder Sänger und Bassist durch einen unsichtbaren Puppetmaster an Fäden ferngesteuert werden. Hits wie „Supermassive Blackhole“ und „Starlight“ bringen, wie gewohnt, die Halle zum beben und die Masse schreit frenetisch jedes Wort mit. Was mir etwas übel aufstößt ist, dass gerade die erste Reihe die meiste Zeit stumm bleibt und nur verhalten mitwippt. Durch die mehrmalige Erwähnung in Stephanie Meyer’s Twilight Geschichte, ist das Publikum bereits seit Jahren gewachsen und hat sich verjüngt. Leider scheint es einfach nur gerade angesagt zu sein MUSE zu mögen, ohne dass man sie wirklich kennt. Nach der letzen Tour hatte ich gehofft, dieser Hype sei abgeklungen. Schade. Der immer poppiger werdende Sound hat sein Übriges getan. Aber natürlich gibt es auch immer noch genug Fanatisten, die aus allen Herrenländern angereist kommen, die Landesfahne in der Frontrow schwingen und das echte MUSE Gefühl verbreiten. Springen, tanzen, singen… Glänzende, weit aufgerissene Augen und ein breites Lachen im Gesicht.

IMG_7155Langsam neigt sich das Spektakel dem Ende zu.“The Globalist“ entführt den Zuschauer noch einmal in ruhigere Sphären, während das Auge vor lauter wabernden Lichtern nicht zur Ruhe kommt. Es wirkt traumhaft, unwirklich. Für einen Augenblick spüre ich das innere Ziehen wieder. Diese unfassbare Glückseligkeit, die ich früher bei jedem Auftritt meiner Lieblingsband verspürte. Wenn der Verstand nicht fassen kann, was man gerade erlebt und das Herz überläuft vor Freude. Eine kleine Welle des Wehmuts erfasst mich und meine Augen werden feucht. Es ist nicht mehr ganz das Selbe. Es ist natürlich wundervoll und atemberaubend, aber wer MUSE noch von früher kennt weiß, was ich meine. Allein „Feeling Good“ erreicht mich voll und ganz, das Megaphon am Klavier, ein winziges bisschen Nostalgie. Nichtsdestotrotz bewundert man ein perfekt inszeniertes Meisterwerk der Superlative voller Stimmungsmacher und Reißer. Nichts, was man klein reden sollte oder will. Es ist und bleibt ein Hochgenuss für Auge und Ohr. Und wer die Jungs noch nicht so oft live gesehen hat, dem wird es auch an nichts fehlen. Seien es die gespenstig wirkenden Kugeln, die mit Konfetti gefüllten riesigen weißen Ballons, die auf einen herabregnenden kleinen Papiermenschen oder die gigantische frei über die Masse schwebende Superdrone – für ein Konzert ist es einfach der Wahnsinn.

Ich selbst und nach den vielen leeren Oberrängen zu urteilen, auch etliche andere „Alteingesessene“, wünsche mir für die Zukunft wieder einen Ticken mehr Intimität. Ein bisschen mehr B-Seite, statt Musikvideo. Ein Müh mehr Spaß am Performen, statt abgegrenzt und einstudiert wirkender Bewegung. Eine Winzigkeit mehr Charme, statt Epos. Eine sich nicht jeden Abend ändernde Setlist, denn in Berlin war es den Glücklichen vergönnt das unvergleichliche „Citizen Erased“ zu hören, was mich immer noch sehr trauern lässt. Das ist Meckern auf hohem Niveau, aber gerade diese Götter der Musikgschichte sollten sich mit nichts Geringerem zufrieden geben. Man darf gespannt sein, ob MUSE den Weg finden zwischen ständiger Weiterentwicklung und Bewahren der Bodenständigkeit. Ich freue mich darauf.

M.F.

Setlist:

  1.  PSYCHO
  2. REAPERS
  3. BLISS
  4. DEAD INSIDE
  5. MAP OF THE PROBLEMATIQUE
  6. THE 2ND LAW: ISOLATED SYSTEM
  7. THE HANDLER
  8. RESISTANCE
  9. SUPERMASSIVE BLACKHOLE
  10. PRELUDE
  11. STARLIGHT
  12. FEELING GOOD
  13. MUNICH JAM
  14. MADNESS
  15. JFK
  16. INTERLUDE
  17. HYSTERIA
  18. TIME IS RUNNING OUT
  19. THE GLOBALIST
  20. —————–
  21. MERCY
  22. KNIGHTS OF CYDONIA

 

 

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