Benjamin Francis Leftwich, Travis Is A Tourist & George Cosby – Häkken, Hamburg

 

 

 

„I hope you find the love that’s true

so the morning light can shine on you

I hope you find what you’re looking for

so your heart is warm for ever more

 

 

 

 

 

Die Sonne ist schon fast untergegangen, als ich mir den Weg zum Häkken bahne. Der Herbst ist in Hamburg angekommen und ich ärgere mich, dass ich meinen Schal noch nicht aus dem Schrank gekramt habe. Im Häkken angekommen ist die Kälte von draußen vergessen, denn dieser kleine Club hat eine so wohlig warme Atmosphäre, dass man sich gleich wie zu Hause fühlt. Das orange-rote Licht, welches den kleinen Raum durchflutet und die kleine Bühne lassen mich nur erahnen wie intim dieses Konzert werden wird. Ich setze mich erst einmal und bin gespannt, was mich heute erwarten wird. Überraschenderweise werden heute gleich drei Künstler auf der Bühne auftreten. Da ich alleine hier bin, baue ich erst einmal Kontakt zu meiner Sitznachbarin auf und schnell stellt sich heraus, dass wir beide hauptsächlich da sind, um George Cosby zu sehen. Der Raum füllt sich und die ersten Menschen sitzen auf dem Boden vor der Bühne. Alles fühlt sich so ungezwungen und gemütlich an; ganz anders als bei größeren Bands, wo häufig mehr Gedränge als nettes Beieinander herrscht. Das Publikum ist bunt gemischt. Von Jung bis Alt ist alles dabei und es sind auch erstaunlich viele Männer vertreten, was bei anderen Konzertbesuchen nicht immer der Fall ist.

Um 20 Uhr betritt der charmante und witzige Travis Is A Tourist die Bühne und verzaubert mich mit seinen Songs. Der junge Ire weiß, wie er die Menge zum Lachen bringt und mir ist er gleich sympathisch. Die kleinen Probleme mit seiner Gitarre weiß er gekonnt zu überspielen und die Stimmung wird noch angenehmer, als sie sowieso schon war.  Sein Set geht viel zu schnell vorbei und ich hoffe, dass man noch mehr von diesem einnehmenden Künstler mit der ausdrucksstarken Stimme hören und sehen wird. Ich jedenfalls freue mich darauf.

Schon bei den ersten Riffs von „Juliet“ bekomme ich Gänsehaut und mir wird ganz warm ums Herz. Mit einer unglaublichen Stimme, die den ganzen Raum ausfüllt, zieht mich George Cosby sofort in seinen Bann. Das in dem jungen Künstler aus London ein unglaubliches Talent steckt, war mir natürlich schon zuvor klar, doch einmal live dabei zu sein, wenn er seine melancholischen und ergreifenden Lieder zum Besten gibt, ist ein unglaubliches Gefühl. Auf dem Reeperbahnfestival war er mit Band unterwegs, doch heute im Häkken gibt es nur ihn und seine Gitarre. Das ganze Publikum ist gespannt und lauscht leise dem nächsten Song „All Of Your Love“. Irgendwie erinnert mich dieses Lied ganz besonders an Lana del Rey. Diese sanften Gitarrenriffs, gepaart mit der unverwechselbaren Stimmfarbe laden zum Träumen ein. Perfekt werden die hohen Töne getroffen, die das Herz ebenso hoch schlagen lassen. „Ritual Blush“ war der erste Song, den ich gehört habe und somit wird er immer etwas ganz besonderes bleiben. Ich kann mich gar nicht recht entscheiden, ob ich nun gerne mitsingen oder doch lieber lauschen will. Ich entscheide mich für letzteres und verlege das Mitsingen auf den Moment des Berichtschreibens. Mit „Muscle And Mouth“ bekommen wir einen ganz neuen Song zu hören, der mich schon äußerst neugierig auf frisches Material macht. Ich kann mich gar nicht entscheiden, welcher Song mir nun am besten gefällt, da einfach alle ihren eigenen Charme und eine unglaubliche Energie haben. Ich hatte ein bisschen gehofft „State Of Undress“ zu hören, werde aber durch die zahlreichen wundervollen Lieder ausreichend getröstet.

Egal, ob an einem kalten Winterabend mit Decke und Tee oder in einer lauen Sommernacht, George Cosby schafft es durch seine bittersüßen Texte und dem sanften  Klang seiner Stimme immer wieder dieses angenehm kuschelige Gefühl in mir auszulösen. Ich bin schon jetzt gespannt auf die EP, die bald erscheinen wird und umso mehr auf ein hoffentlich schnell nachfolgendes Album.

Es ist dann doch ganz schön jemanden da zu haben, mit dem man das Erlebte noch einmal Revue passieren lassen kann und so verbringen wir dann auch die Zeit bis sich Benjamin Francis Leftwich bereit macht. Ich muss gestehen, ich habe gar nicht in seine Songs rein gehört, sondern lasse mich an diesem Abend einfach überraschen. Selten erlebt man einen Künstler, der so gerne und oft mit seiner Gitarre durch das Publikum schlendert und zeigt, dass man eigentlich gar kein Mikrofon braucht, um die Menschen zu erreichen. Ganz besonders hat es mir „Pictures“ angetan. Eine wunderschöne Ballade, die sich sanft ihren Weg durch die Menge bahnt. Auch wenn die Songs meist traurig erscheinen, hüllen sie mich doch ein wie eine Seifenblase und lassen mich wenigstens für den Moment alle Sorgen vergessen. Immer wieder betont er „You are such a quiet crowd“ und noch bin ich mir nicht sicher, ob das etwas Gutes oder etwas Schlechtes ist. Aber das Publikum scheint einfach gefangen in einer träumerischen Stimmung und gibt sich still genießend der Musik hin. Nach jedem Song wird trotzdem kräftig applaudiert und gezeigt, dass man doch auch ein bisschen lauter sein kann. In seinen Songs verarbeitet der britische Singer/Songwriter Herzschmerz, Selbstzweifel und den Tod seines Vaters. Mit seiner warmen Stimme und den beinahe gehaucht wirkenden Zeilen hebt er sich doch sehr von den beiden vorherigen Künstlern ab. Mit seiner wunderbaren Art und den melancholischen Texten, in denen doch oft ein großer Funke Hoffnung auf bessere Tage schlummert, gibt er einem das Gefühl, dass auf Regen auch wirklich wieder die Sonne folgen kann. Selten findet man heutzutage noch Musik, die einen tief im Herzen berührt und einem die Hand hält, wenn es niemand anderer tut. Umso schöner ist es, dass ich in diesem kleinen Club mitten auf der Reeperbahn so viele neue Lieder gefunden habe, die mir an den grauen Wintertagen, die uns bald bevor stehen, das wärmende Gefühl dieses Abends zurückbringen werden.

Kennt ihr das, wenn man dem Künstler allen Erfolg wünscht, den er verdient hat und dennoch schon beinah hofft, dass diese intimen Auftritte vor wenig Publikum niemals aufhören? Wie auch immer es mit diesen fantastischen Newcomern des heutigen Abends weiter gehen wird, ich bin froh, dass ich dabei sein durfte und den Liedern so nah und unverfälscht lauschen konnte. Manchmal braucht es kein aufwendiges Tamtam, keine große Show mit vielen Musikern, die alle virtuos auf ihre Instrumente eindreschen – die Einfachheit ist es manchmal, die verzaubert.  Nur eine Stimme, eine Gitarre und die in jeder Note mitschwingende Leidenschaft zur Musik.

Nach einem kleinen aber wirklich angenehmen Plausch mit den beiden Support Acts verlassen wir die Venue. Noch ganz beschwingt von all den schönen Eindrücken vergisst man dann auch die nächtliche Kälte, die uns draußen wieder entgegenweht. Was für eine wunderschöne Erfahrung, die mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Nicht nur, weil ich drei tolle Künstler miterleben durfte, sondern auch weil Musik wieder einmal Menschen zusammen geführt hat.

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J.S.

Setlist George Cosby:

  1.  JULIET
  2. ALL OF YOUR LOVE
  3. WATERMELON GREEN
  4. VACANT GRACE
  5. RITUAL BLUSH
  6. MUSCLE AND MOUTH

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