Glass Animals – Mojo Club, Hamburg

 

„We float before the sea at dusk

In heavy mist, in glitter dust

I smile before I want to

I smile because you want to

We sip the wind through lips of lust

And out it comes, warm wisps of love

I smile because I want to

I smile because you want to…“

 

 

Es ist Samstag, was für ein herrlicher Wochentag für ein Konzert. Kein Urlaub muss verbraten werden, keine Hektik an den Tag gelegt werden, weder vor noch nach dem Gig. Alle Konzerte sollten samstags sein. Ich sollte dazu eine Petition aufsetzen. Alles ist einfach so viel angenehmer, gelassener, entspannter – die Menschen sind auch besser drauf, wenn Wochenende ist. Das Glass Animals Konzert, das ich heute in Hamburg besuche, ist der beste Beweis dafür. Zum ersten Mal verschlägt es mich in den Mojo Club – der augenscheinlich erst mal nicht mehr, als eine Klappe im Bürgersteig ist. Allzu lang ist die Schlange nicht mehr, ich bin spät dran. In kürzester Zeit verschluckt das Mojo seine Besucher, die eilig ins Warme drängen. Tiefer und noch ein bisschen tiefer geht es, bis ich mich in einem der außergewöhnlichsten Clubs wiederfinde, die ich jemals besuchen durfte. Früher einmal Hip Hop Hochburg, ist der kreisrunde Saal mit Empore und angenehm kleiner Bühne mittlerweile für Künstler aller Genres geöffnet. Ich suche mir ein schönes Plätzchen in der ersten Reihe, die interessanterweise an den Seiten noch leicht erreichbar ist. Lediglich in der Mitte hat sich ein überraschend junges Publikum versammelt.

Die Vorband des Abends heißt Pumarosa und ich habe vorab schon einmal reingehört. Die fünf Briten klingen nicht schlecht und ich freue mich besonders auf ihren Hit „Priestess“. Sie sind eine optisch recht ulkig anheimelnde Kombo, doch Sängerin Isabel überzeugt mit ihrer Stimme binnen Sekunden. Und irgendwie sind ihre psychodelischen Tanzeinlagen auch unheimlich sympathisch. Allein die Freude, die sie dabei zu verspüren scheint, steckt einen unwillkürlich an und schon grooven alle um mich herum im Takt der elektronischen Rhythmen. Immer wieder wird mir Bange, wenn die Dame auf der Bühne ihre Arme hebt, denn der Pulli ist kurz und von Unterwäsche keine Spur. Doch hier scheint minuziöse Planung vorangegangen zu sein und niemand darf sich über einen Nippelblitzer freuen. Natürlich kommt der von mir favorisierte Song zum Schluss an die Reihe, doch die Einlage am Saxophon entschädigt vollends und ich gehe vergnügt in die Umbaupause.

Bei einem Blick in den vollen Saal wird mir erst bewusst, wie bunt gemischt das Publikum heute Abend ist. Vom 16-jährigen Teenager bis zum Rentner ü60; von betont lässigen Hipster Studenten bis zu flippigen Kids mit Ananas-Bildchen auf der Wange ist hier heute alles vertreten. Und alle erwarten die vier Briten aus Oxford, die nun endlich auf die Bretter treten, gleichermaßen ungeduldig. Schon der erste Song „Life Itself“ lässt jeden wild rumzappeln und ich merke sofort: das hier wird etwas Anderes, noch nie Erlebtes. Es ist stickig und die Luft trieft förmlich vor Schweißgeruch, aber selten habe ich so ein pures Konzertfeeling verspürt. Der Bass drückt, die Akustik ist hervorragend, die Stimmung stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten. Nicht nur vor, sondern auch auf der Bühne ist eine Energie spürbar, wie man sie selten erfährt. Glass Animals wühlen sich freudig durch ihr Repertoire. Vom unglaublich chilligen „Black Mambo“, über meinen Tetris-Favoriten „S02E03“ bis hin zum verspielten „Hazey“ lässt die erste Hälfte des Sets nichts zu wünschen übrig. Zwar sind auch Songs dabei, die weniger oft den Weg in meine Playlist gefunden haben, doch der unterschwellige Beat lässt mich dennoch unentwegt die Hüften kreisen. Die Mädels neben mir schweben offensichtlich auf Wolke 7 und irgendwie scheinen alle in einer unbändigen Trance gefangen. Haare werden wild umher gewedelt, Hände in die Luft gereckt, jede Zeile akribisch mitgesungen. Und Sänger Dave Bayley ist mittendrin. Begeistert schweift sein Blick immer wieder durch den winzigen Saal, strahlt er über das ganze Gesicht und hüpft freudig tanzend umher. Man ist so nah am Geschehen, dass es schon fast seltsam erscheint, wenn er plötzlich unvermittelt vor einem am Bühnenrand auftaucht und im wahrsten Sinne des Wortes zum Greifen nah ist. Der Innenraum bebt, denn hier steht niemand still – lediglich auf der Empore geht es etwas gesitteter zu. Es muss ein fantastischer Anblick sein und nur zu gern würde ich zwischendurch kurz nach oben rennen, um mein Gefühl zu bestätigen. Als sie „Gooey“ anspielen, bin ich im Freudentaumel gefangen und muss es trotzallem einfach mitfilmen – wann hat man schon das nächste Mal die Möglichkeit auf so ein intimes, energetisches Konzert?! Und auch das großartige „Pools“ schmückt die heutige Setlist, was meiner Begleitung beinah die Tränen in die Augen treibt. Immer wieder lassen die vier Akteure ihre Fans zum Zug kommen und während sie pausieren und die Stimmen der Besucher ihre Texte durch den Raum tragen, überkommt mich wellenweise Gänsehaut. Viel zu schnell verabschieden sich die vier Jungs von der Bühne und eigentlich ist jedem klar, dass es nur die übliche Farce vor der Zugabe ist. Diese fällt mit zwei Liedern relativ schmal aus, aber ich befürchte, ich hätte das Konzert in dieser Intensität auch nicht viel länger durchgehalten. Die Ananas, die vorab sorgfältig im Hintergrund platziert wurde, tritt nun endlich ins Rampenlicht und tanzt mit uns ausgelassen zu „Walla Walla“. Erst in den Händen Dave’s, später über der Menschenmenge in den Händen des glücklichen Fängers. „Pineapples are in my head…“ – eine Textzeile, die ich zum Motto küre. Denn diesen Abend vergesse ich mit Sicherheit nicht so leicht und noch lange nachdem ich den kuscheligen Club verlassen habe, schwirren die Eindrücke, Bilder und Songfetzen durch meinen Kopf. Ich bin gleich doppelt verliebt, in Location und Band. Glass Animals: ein absolutes Muss für jeden Konzertliebhaber.

M.F.

Setlist:

  1. LIFE ITSELF
  2. BLACK MAMBO
  3. S02E03
  4. HAZEY
  5. CANE SHUGA
  6. TOES
  7. POPLAR STREET
  8. OTHER SIDE OF PARADISE
  9. GOOEY
  10. TAKE A SLICE
  11. YOUTH
  12. POOLS

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  1. WALLA WALLA
  2. PORK SODA

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