Time is all I need from you
And if you give me more
Let’s see what I can do
Cause you
You’ve got so much to give
As if you really care
About the life you live
Die Kälte erfasst mich, als ich aus dem Auto steige und der klare Himmel lässt die Sterne über Hannover funkeln. Brrr… es wird Zeit, dass die wärmeren Tage wieder Einzug halten und einem das Warten vor der Location nicht unerträglich machen. Auch wenn die Wartezeit nur wenige Minuten beträgt, bin ich doch froh endlich im warmen und muckeligen Club zu sein. Das unter einem Schwimmbad gelegene Béi Chéz Heinz ist mal ein ganz anderer Ort für einen Club und hat durch seine tiefen Decken einen ganz besonders kuscheligen Charme. Umso trauriger, dass dieses Urgestein der Hannöverschen Musikszene aufgrund der Restaurierung des Schwimmbads bald verschwinden könnte. Vor ein paar Jahren (oha, 2014 müsste das gewesen sein) besuchte ich den Laden um zu den feinsten Tönen, die die 80er und 90er so zu bieten hatten, das Tanzbein zu schwingen. Ich verbinde also freudige Erinnerungen an diesen Ort.
Die Jacken sind fix abgegeben und mit einer Limo in der Hand suchen wir uns einen angenehmen Platz, bei dem man einen guten Blick auf die Bühne hat. Es sind noch nicht alle Konzerttickets eingelöst, als die Vorband den Abend mit ihrer Show einleiten. Sohnemann heißt diese und ich muss schmunzeln bei der innerlichen Frage, wie es denn zu dieser Namenswahl kam. Vielleicht kann ich dem mal bei einem Interview nachgehen. Im Vorfeld hatte ich natürlich schon einmal geschaut was mich erwarten wird, muss aber zugeben, dass ich mich wohl für den falschen Song entschieden hatte, denn abgeholt hatte mich dieser jetzt nicht so. Umso toller ist es doch, wenn man dann eines Besseren belehrt wird. Denn auf der Bühne und mit schnelleren Songs überzeugen sie mich doch um einiges mehr. Gerade „Ich Mag Dich“ hat es mir angetan – ein süßer Song, der sich anfühlt wie Zuckerwatte. Ihre Texte lassen einen schmunzelnd, träumend und hier und da auch nachdenklich zurück. Leider ist bisher von den Kölnern noch nicht so viel im Netz zu finden, aber ich hoffe das wird sich im Laufe des Jahres noch ändern.
In der Umbau Pause laufen Knaller-Hits wie „Total Eclipse Of The Heart“, die vom Publikum und auch mir kräftig mitgesungen werden. Das macht die Warterei auf den Hauptact um einiges angenehmer, der gerade seine Instrumente vor mir aufbaut und die grinsenden Gesichter auf der Bühne zeigen deutlich, dass wir nicht zu überhören sind. Eingesungen und aufgewärmt sind wir also schon mal, von mir aus kann es losgehen.
Mit einem Blitzlichtgewitter der Bühnenscheinwerfer betreten sie die Bühne und das Publikum empfängt die vier Jungs von RAZZ mit tobendem Applaus. „Sometimes silence is the quietest violence, when in the night I can’t close my eyes“… – „Could Sleep“ ist einer der ersten Songs, die mich gleich zu Anfang beim Hören ihrer neuen Platte Nocturnal abgeholt hat. Ab der ersten Sekunde wippt mein Fuß und ich freue mich auf einen Abend voller musikalischer Highlights, denn eins ist nach den vergangenen Konzerten sicher: bei RAZZ kann ich einfach nicht still stehen bleiben. Mit „Lecter“ werden nun etwas ruhigere Töne angeschlagen. Sänger Niklas erzählt, dass dies einer seiner Lieblingssongs des neuen Albums ist. „it’s in the way that she weeps, it’s in the secrets she keeps it’s in the way that she turns my head, it’s in the way that she sleeps…“ – Verträumt und trotzdem elektrisierend, abgerundet mit der rauchigen Stimme des Sängers, schafft es dieser Song immer mehr, sich auch für mich zu einem Herzstück der neuen Platte zu entwickeln. Ich finde es immer wieder unglaublich beeindruckend, welch Talent in den doch noch relativ jungen Künstlern steckt, was sie auch auf ihrer zweiten Platte wieder unter Beweis stellen. Mehr und mehr Tourdaten werden als ausverkauft deklariert und bestätigen nur einmal mehr, dass sie mittlerweile keine unbekannten Gesichter in der deutschen Musikszene mehr sind.
Wohlvertraute Töne kommen von der Bühne als „Broken Gold“ an der Reihe ist – oh man, wie ich diesen Song liebe! Ich bin so sehr angetan von der eingängigen Melodie, dass ich ihn schon seit einer Weile als Klingelton eingestellt habe. Also, wenn ich mal nicht zu erreichen sein sollte, tanze ich sicher gerade durch die Gegend. Ich muss zugeben, dass mich die Studioversion von „Another Heart / Another Mind“ nicht so fesselt, wie es vielleicht bei anderen der Fall ist. Aber hier live auf der Bühne hat der Song einen ganz anderen Charme, was wohl auch daran liegen mag, dass der von Autotune verzerrte Gesang von Giant Rooks Frontmann Frederik Rabe fehlt. Was mich an der Musik von RAZZ immer wieder aufs Neue begeistert, sind ihre catchy Melodien und die rockigen Gitarren Riffs, din din din din din din… – ihr wisst schon, was ich meine. „Postlude“ wird eingeläutet und mir geht vor lauter tanzen fast die Puste aus. Vielleicht sollte ich doch ein wenig an meiner Kondition arbeiten, um mithalten zu können bei der Fülle an tanzbaren Schmuckstücken. „We were torn apart by greedy hands, With your heart, with your mind. You kept your desires behind your face, with your heart, with your mind…“ – „Turning Shadows“ war DER Song, der mich neugierig auf diese Band gemacht hat und deswegen wird er immer etwas ganz Besonderes bleiben. Ich weiß noch, als wäre es gestern, wie wir die Dockville Acts durchforstet haben und mir bei diesem Lied fast die Spucke wegblieb. „Die MUSS ich sehen!“ war das Erste, was mir durch den Kopf schoss und ich wurde nicht enttäuscht von dem, was die vier Jungs aus dem Emsland noch auf Lager hatten. Meiner Begleitung wird mit „Let It In, Let It Out“ ebenfalls ein Setlist-Wunsch erfüllt und selig strahlend sehe ich sie neben mir Konzerthimmel schweben. Mit der zweiten Zugabe „Youth & Enjoyment“ neigt sich der Abend leider schon dem Ende zu. Das Publikum gibt nochmal alles, es springt fröhlich umher und singt jedes Wort lauthals mit. Wie schon gesagt, trotz ihres jungen Alters wissen sie genau, wie man gute Songs schreibt und diese dann auch gekonnt live umsetzt. Ob es nun Steffen am Schlagzeug ist, der mich immer wieder umhaut, wie er da auf seine Drums einschlägt oder Gitarrist Christian, der trotz wildem Rumgehüpfe jeden Ton trifft. Die Jungs haben‘s einfach drauf. Punkt.
Auch wenn ich am Anfang ein paar Probleme hatte mich in ihr neues Album reinzuhören, haben sie es doch geschafft mich erneut mitzureißen. Klar, das zweite Album ist immer schwerer – die Erwartungen nach dem erfolgreichen Debüt sind hoch, aber RAZZ haben gezeigt, dass sie nicht zu Unrecht als eine DER deutschen Newcomer-Bands gehandelt werden. Nachdem sie schon als Vorband von Glass Caves durch Teile von England und Schottland getourt sind, bleibt es ihnen zu wünschen, dass sie den internationalen Durchbruch schaffen und noch mehr Menschen auf Ihrer Reise mit ihren Liedern und der mitreißenden Bühnenperformance verzaubern können. Auf jeden Fall verbinden ihre Fans schon jetzt tiefe Gefühle mit ihrer Lieblingsband und so wurden wir überraschenderweise sogar Zeuge eines Heiratsantrags. Im Béi Chéz Heinz. Mitten im Konzert. Ehrlich. Auch wenn es etwas kitschig anmutet, so zeigt es doch die ehrliche Verbundenheit zur Musik der vier Jungs und auch wir können uns ein kleines verzücktes “aaawww” nicht verkneifen. Also auch an dieser Stelle noch einmal alles Gute dem jungen Paar, auf dass noch viele gemeinsame unvergessliche Abende mit RAZZ folgen mögen.
J.S.
Setlist:
Could Sleep
Trapdoor
Black Feathers
Paralysed
Lecter
1953 – Hillary
Broken Gold
Another Heart / Another Mind
The Blood Engine
By & By
Postlude
Turning Shadows
Silver Lining
Let It In, Let It Out
Encore:
Step Step Step
Youth & Enjoyment