The Brian Jonestown Massacre – Muskzentrum, Hannover

 
 
 
 
 
 

And if I close my eyes

I can clearly see your smile

The kind of smile that drives me wild

It never goes away

 

 
 
 
 
 

Montagabend und die Woche hat mich bereits fest im Griff. Von Kopfschmerzen geplagt mache ich mich dennoch auf den Weg ins Musikzentrum und finde wider Erwarten einen Premium-Parkplatz direkt vor der Tür. „Es läuft also nicht alles schlecht“, denke ich, als ich den noch vollkommen leeren Raum betrete und mir in aller Seelenruhe Getränke und einen optimalen Stehplatz in der ersten Reihe sichern kann. So richtig weiß ich nicht, was mich heute erwartet, denn ich war noch nie auf einem The Brian Jonestown Massacre Konzert und kenne nur die DIG! Doku über sie und die Dandy Warhols. In der tiefen Hoffnung heute nicht verprügelt zu werden, will ich mir jedoch keinesfalls die Band entgehen lassen, deren Sound den des Ex-Mitglieds Peter Hayes derart eindeutig geprägt hat. Woher Euch der Name bekannt vorkommt? Richtig, es ist Gitarrist und Sänger der grandiosen Band Black Rebel Motorcycle Club und einer meiner absoluten Favoriten. Doch nicht nur die Vergangenheit treibt mich dazu diese Band einmal hautnah zu erleben, auch Tambourine Man Joel Gion zählt zu den Personen, die man meiner Meinung nach einmal live gesehen haben MUSS.

Der Support Levent aus Berlin eröffnet den Abend und vom Sound her erinnern sie stark an BRMC, gepaart mit einer ordentlichen Prise Psychedelik. Selten sind Frauen in diesem Genre zwar nicht unbedingt, aber gleich zwei in einer Gruppe zu sehen, erfreut mein feministisches Herz. Der Einstieg ist schon beinahe zu schwermütig für meinen Geschmack, doch die bereits versammelte Konzertgemeinschaft wippt bereits angeregt mit und meine Fotos werden durch die melancholische Ruhe jedenfalls besonders atmosphärisch.

Noch einen kleinen Moment gewartet und schon ist es soweit: ein mittlerweile wieder deutlich schlankerer Anton Newcombe betritt mit einem „Eat Shit!“ T-Shirt, das es am Merch-Stand in der Tat auch zu kaufen gibt, die Bühne. Ganz alte Schule dürfen die Sonnenbrillen ja nicht fehlen und ich frage mich, welche Pupillengröße dahinter wohl verborgen bleiben soll. Während Anton enorm ungepflegt erscheint und ich bei präzise auszuführenden Bewegungen immer wieder ein starkes Zittern seiner Hände wahrnehme, wirkt Joel gewohnt lässig und nahezu gelangweilt. Diese scheinbare Attitüde beherrscht er zur Perfektion und es ist ein absoluter Hochgenuss ihn mit einem an Arroganz grenzenden Gesichtsausdruck gekonnt die Percussions und das Tamburin schütteln zu sehen. Schon nach kurzer Zeit haben ihre eingängigen Melodien mich in die richtige Stimmung gebracht und auch um mich herum wird ausgiebig getanzt. Es ist schon verrückt zu sehen, wie Fans der ersten Stunde und gerade Volljährige gleichermaßen angezogen werden von dieser Band der Extreme. Und wo könnte diese sein, wenn die Drogen nicht in diesem Maße ihr Leben beeinflusst hätten? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Denn mir stellt sich bei Musikern dieses Formats immer die selbe Frage: wären sie ohne Drogen wirklich besser oder einfach nur leistungsfähiger und verlässlicher? Kommt die Kreativität, das Genie, nicht zu einem Großteil aus dieser Abhängigkeit und der Erfahrung im Dreck zu kriechen und trotzdem noch die Farben der Welt zu fühlen? Oder reden wir uns das nur so gern ein, um eine Entschuldigung für dieses destruktive Verhalten zu finden und uns nicht weiter damit auseinandersetzen zu müssen? Das gehört halt dazu. Das ist Rock’n’Roll. Doch wenn ich die nicht ganz so gut verborgenen Reaktionen der Bandmitglieder auf die im Laufe des Abends immer häufiger auftretenden Verzögerungen durch einen perfektionistischen Anton sehe, ist da kein Glamour, keinerlei Ehrfurcht vor diesem Talent. Es ist lediglich das genervte Augenrollen über einen sichtlich anstrengenden Freund. Nichtsdestotrotz nörgele ich hier auf hohem Niveau, denn mal Butter bei die Fische: die Jungs sind echt gut! Der augenscheinlich desolate Zustand des Frontmanns täuscht den Betrachter, denn ich kann beim besten Willen nicht viele Verspieler oder Textaussetzer registrieren, wie es bei BRMC mit der gleichen Drogenkarriere mittlerweile leider regelmäßig vorkommt. Auch wenn sie rein musikalisch nicht an die Variabilität und die Harmonien heranreichen, die aus Hayes & Co. nur so herauszufließen scheinen, so fängt mich ihre Nostalgie auf jeden Fall ein. Ein Stück Vergangenheit aus leichteren Tagen steht zum Greifen nah vor mir und schon tut es mir wieder leid, dass sie nicht auch größere Venues füllen oder den heutigen Abend zumindest ausverkaufen. Mit „Hold That Thought“ haben sie neben den Klassikern „Pish“ und „Anemone“ jedenfalls auch auf der neuen Platte einen echten Hit gelandet, der mir partout nicht mehr aus dem Kopf geht, seit ich ihn das erste Mal gehört habe. Warum sollte man sie also abschreiben? Weil sie nur noch ein Schatten ihrer selbst sind? Weil sie nicht mehr in die Menschenmenge springen, um sich mit ein oder zwei Fans zu raufen, die sich ungebührlich geäußert haben? Weil sie etwa beschädigte Ware sind? Mitnichten! Geht hin, macht Euch Euer eigenes Bild! Ich jedenfalls hatte einen tollen Abend und ab und zu glaube ich immer noch an das Märchen von Sex, Drugs & Rock’n’Roll – manchmal muss es eben schmutzig sein, laut, vernebelt, tiefgründig und voller Schmerz und Wut auf diese beschissen egoistische Welt.

M.F.

 

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Setlist:

We Never Had A Chance
What Happened To Them
Hold That Thought
Forgotten Graves
That Girl Suicide
Who Dreams Of Cats?
Who
Drained
Pish
Anemone
Whatever Hippie Bitch
Wisdom
When Jokers Attack
Sailor
Nevertheless
The Devil May Care
What Can I Say?
Servo
Yeah Yeah
A Word

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